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Das Tor zur Welt
Worte wie Pfeile

Berg und Zwerg (das Lichtgesicht)

03.08.1988

Nr. 122

 

Und sie bäumten sich auf,

die Fragen der Menschheit,

zu einem riesigen Berg.

 

Und von der Bergesspitze leuchtete ein Licht,

und an des Berges Fuß stand ein Zwerg.

 

Und das Licht viel in des Zwerges Gesicht.

Und von nun an hatte er ein Lichtgesicht.

 

Doch die Menschen wunderten sich sehr.

Was hat der Zwerg für ein Gesicht?

Da stimmt doch etwas nicht.

 

Da schämte sich der Zwerg,

nahm sein Bündel, ging zum Berg.

Du Berg, so sagte er,

gib zurück mir mein Gesicht.

 

Doch der Berg der grollte nur,

"Du Zwerg warst es, der die Fragen stellte,

die Antwort wars, die dich erhellte"

 

So ging der Zwerg ernüchtert fort.

Lebt derzeit an einem unbekannten Ort.

 

Auch Lichtgesichter gibt=s nicht mehr,

nur Milchgesichter - immer mehr.

 

Die Antwort aller Fragen -

und das ist die Moral,

gibt euch kein Berg und auch kein Zwerg.

 

Und selbst wenn ihr sie finden solltet,

wird man euch nicht verstehen.

Ein Lichtgesicht seit ihr ja dann,

und Lichtgesichter fürchtet man.

 

Drumm bleibt so wir ihr seid.

Lebt im Schatten,

doch bleibt fern von jedem Licht.

 

Denn der Zwerg, der Heute alles weiß´,

er liebt nicht mehr bei uns,

er hat die Welt verlassen,

doch sein Gesicht wird nie verblassen.

 

 

Ich möcht kein Losverkäufer sein

 

29. November 1987

Nr. 120

 

Ich stell mir vor,

ich steh an einer Losbude allein.

Ich möcht kein Losverkäufer sein.

 

Da käm eine Pärchen bald vorbei.

Er arbeitslos, sie Schülerin derweil.

Fünf Mark hat er noch dabei -

die reichen für die Fahrt zum Arbeitsamt,

mag sein.

Ich möcht kein Losverkäufer sein.

 

Sie hält zärtlich seine Hand.

Ich habe weiße Bären, als Preise hier am Stand.

Er weiß, daß sie sich weiße Bären wünscht.

Sie weiß, daß es sich endliche eine Stelle wünscht.

Sie stehen da, er groß, sie eher klein -

ich möcht kein Losverkäufer sein.

Dann drängt sie ihn zum weitergehen.

Doch er, er hat die Bären längst gesehen.

Sie merkt jetzt was geschehen.

Sie weiß, würd er sein letztes Geld jetzt geben,

müßt er am Morgen neun Kilometer Fußmarsch gehen.

Sie sagt, sie möchte keine Bären,

ob groß ob klein.

Nein, ich möcht kein Losverkäufer sein.

 

Doch er wünscht sich so sehr einen Bär.

Sie wünscht sich so sehr einen Bär.

Sie wünscht ihn sich so sehr,

weil er es sich so wünscht.

Weil er sie glücklich machen will,

ihr eine Freude machen will.

Ein Bär, ob groß ob klein.

Nein, ich möcht kein Losverkäufer sein.

 

Doch jedes Los war kein Gewinn.- er hat den Fünfer schon in der Hand.

Fünf Lose - wir werden schon gewinnen, wär doch allerhand.

Sie lächelt, doch sie ist nicht froh,

er gibt sein letztes her,

er ist nun mal so.

Fünf Lose öffnen sie allein.

Ich möcht kein Losverkäufer sein..

Er ist bedrückt, weil er ihr keinen Bären schenken kann.

Sie ist bedrückt, weil alles was er gab,

so glaubt sie,

wie er denkt, vergeblich gab.

Doch gaben sie sich beide sehr viel mehr als nur fünf Mark.

Doch eine Prognose ich noch wag.

Wär ich Losverkäufer - ob groß ob klein -

ich meinem Eimer kämen keine Nieten rein.